Hydrogenase: Wasserstoff aus Grünalgen?

Es war lange ruhig hier auf dem Blog. Vor nun bereits 4 Jahren habe ich Pipette und Labor gegen Wissenschaftsmanagement und Schreibtisch eingetauscht. Seit 1,5 Jahren arbeite ich am Zentrum für BrennstoffzellenTechnik (ZBT), das Wasserstofftechnologien erforscht und entwickelt. Wasserstoff ist ein potenziell nachhaltiger Energieträger, aber ausnahmsweise möchte ich hier mal keine Debatte über seine Einsatzgebiete führen. Aus spontaner Sehnsucht zur Genetik hab ich stattdessen nachgelesen, ob sich Wasserstoff auch bio- oder gentechnisch herstellen lässt – und so bin ich auf die Hydrogenase und die Grünalge Chlamydomonas reinhardtii gestoßen.

Hydrogenasen?

Hydrogenasen sind Enzyme, die Protonen (H+) und Elektronen (e) zu molekularem Wasserstoff (H₂) zusammensetzen. Alle Hydrogenasen haben ein Metallcluster in ihrem aktiven Zentrum – in diesem unterscheiden sich aber verschiedene Typen. [FeFe]Hydrogenasen tragen Eisenatome in diesem Zentrum und kommen vor allem bei anaeroben Organismen vor, denn bereits die kleinste Menge Sauerstoff reicht, um dieses empfindliche System lahmzulegen.

In der Photosynthese nutzen Pflanzen und einige Mikroorganismen Sonnenlicht, um Wasser (H₂O) und Kohlendioxid (CO₂) in Glukose (C₆H₁₂O₆) und Sauerstoff (O₂) umzuwandeln. Dieser Prozess findet in zwei Stufen statt: In der lichtabhängigen Phase wird Wasser am Photosystem II (PSII) gespalten, wobei Sauerstoff freigesetzt und Elektronen freigesetzt werden. Diese Elektronen wandern durch eine Elektronentransportkette, werden am Photosystem I (PSI) erneut mit Lichtenergie „aufgeladen“ und schließlich für die Synthese von NADPH genutzt. In der lichtunabhängigen Phase, dem sogenannten Calvin-Zyklus, liefert dieses NADPH die Elektronen für die Fixierung von CO₂, um letztlich Zucker aufzubauen.

Anstatt wie die Pflanzen Zucker zu bauen, schlägt Chlamydomonas reinhardtii aber manchmal einen anderen Weg ein. Die [FeFe]Hydrogenase kann die Elektronen der Photosynthese abfangen, bevor sie für den Calvin-Zyklus gebraucht werden. Zusammen mit Protonen aus der Wasserspaltung erzeugt sie dann H₂. Das hilft der Alge, überschüssige Elektronen loszuwerden – praktisch als eine Art Überdruckventil, solange kein Sauerstoff in der Nähe ist.

Chlamydomonas reinhardtii?

Chlamydomonas reinhardtii lässt sich praktischerweise ziemlich leicht kultivieren und genetisch umgestalten. Es liegt also nahe, herumprobieren, ob man diesen Stoffwechselweg – ggf. nach ein paar gentechnischen Optimierungen – einsetzen könnte, um Wasserstoff herzustellen.

Links: Chlamydomonas reinhardtii unter dem Rasterelektronenmikroskop. Messbalken: 10µm. Rechts: Schamtischer Aufbau einer einzelnen Chlamydomonas reinhardtii Alge: 1. Geißel, 2. Mitochondrium, 3. Kontraktile Vakuole, 4. Augenfleck, 5. becherförmiger Chloroplast, 6. Golgi-Apparat, 7. Stärkekörner, 8. Pyrenoid, 9. Vakuole, 10. Zellkern, 11. Endoplasmatisches Retikulum, 12. Zellmembran, 13. Zellwand.

Ein vielversprechender Ansatz ist die direkte Kopplung von Hydrogenase an PSI: in einer Studie aus 2020 wurde die gentechnische Fusion des [FeFe]Hydrogenase an PsaD, eine PSI-Untereinheit, beschrieben. Das Ziel: Elektronen, die normalerweise über Ferredoxin zum Calvin-Zyklus geleitet werden, stattdessen direkt zur Hydrogenase zu lenken. Diese Abkürzung in der Elektronenkette erhöht die Effizienz der Wasserstoffproduktion, da weniger Elektronen in den konkurrierenden Calvin-Zyklus abfließen. 

Ohne PGR5 und PGRL1 mehr Wasserstoff

Ein alternativer Ansatz, um den konkurrierenden Calvin-Zyklus gegenüber der Hydrogenase Reaktion zu schwächen, ist die pgr5-Mutante. PGR5 (Proton Gradient Regulation 5) reguliert normalerweise den zyklischen Elektronentransport um PSI, der ATP produziert. Ohne PGR5 gelangen also mehr Elektronen zur Hydrogenase, während weniger ATP den Calvin-Zyklus bremst – was die Wasserstoffproduktion steigert.

Bislang wurden pgr5-Mutanten meist unter konstanter Beleuchtung getestet. Wie in einer 2024 erschienen Studie beschrieben, setzten Forschende sie nun realistischeren Bedingungen aus und simulierten Tageslichtverläufe mit wechselnder Lichtintensität. Die Ergebnisse waren beeindruckend: Die Mutante produzierte mehr Wasserstoff als der Wildtyp, hielt ihre Hydrogenase- und Photosyntheseaktivität über mehrere Tage stabil und war auch bei schwankendem Licht leistungsfähig.

Ein Highlight der Studie war ein speziell entwickelter Dünnschicht-Photobioreaktor, der den Sauerstoff mit einem Eisen-basierten Absorber fast komplett aus der Umgebung entfernte – perfekt für die empfindliche Hydrogenase. Gleichzeitig konnte der produzierte Wasserstoff präzise gemessen und stabil erzeugt werden.

Eine andere Forschergruppe setzte in ihrer fast zeitgleich veröffentlichten Studie auf eine andere Mutante. Sie hatten Proton Gradient Regulation Like 1 (PGRL1) ausgeschaltet. Wie PGR5 spielt PGRL1 eine Schlüsselrolle im zyklischen Elektronentransport um PSI und sorgt für ATP Produktion. Auch in dieser Mutante bleiben also mehr Elektronen für die Hydrogenase übrig – ein klarer Vorteil für die Wasserstoffproduktion.

Zusätzlich optimierten die Autoren die Kulturbedingungen, indem sie auf stressige Schritte wie das Umsetzen der Algen in neue Nährmedien verzichteten. Stattdessen kombinierten sie eine Wachstumsphase unter Sauerstoff und eine Produktionsphase, in der der Sauerstoffgehalt minimal blieb, um die Hydrogenase aktiv zu halten. Auch hier wurde ein Bioreaktor benutzt, der den produzierten Wasserstoff kontinuierlich sammelte und analysierte, um die Produktion genau zu überwachen.

Beide Studien zeigen, wie genetische Modifikationen in Chlamydomonas die Wasserstoffproduktion optimieren können. Dennoch: Mit 0,5 (Nagy et al) und 0,3 Millilitern (Yarkent et al) Wasserstoff pro Liter Kulturlösung und Stunde sind wir noch weit von industriell sinnvoll einsetzbaren Maßstäben entfernt.

Theresa

Theresa ist die Person hinter diesem Blog und immer noch die Autorin aller Artikel. Sie hat in molekularer Neuroentwicklungsbiologie promoviert und ist durchaus offen für MitsteiterInnen für dieses Blogprojekt. Wenn ihr also Lust habt mitzuschreiben, meldet euch bei ihr.

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